Es waren 135 Teilnehmer auf einem Lehrgang, den wir seit Jahren gern besuchen. Gäste kamen aus Spanien, Schweden, Pakistan, Kanada, Finnland und den Niederlanden. Frank hat dazu den folgenden Bericht geschrieben.
Am 21.2. war es wieder mal so weit, es ging zum jährlichen
Karate/Jujutsu-Lehrgang nach Berlin. Ausgerichtet von Christina Gutz, der es
immer wieder gelingt, dieses hochkarätige Seminar zu organisieren.
Zuständig für das Vermitteln von Prinzipien des Shindo
Yoshin Ryu Jujutsu (SYRJ) [1]
war wie gehabt Toby Threadgill (Menkyo Kaiden [2]).
Für den Karateteil wurde diesmal Kaki Kawano eingeladen,
seines Zeichens ehemals erfolgreicher Kumite-Wettkämpfer. Entsprechend waren
seine Einheiten an Wettkampftechniken orientiert.
Von Dresden aus machten sich also am Samstagmorgen Eric und
Frank auf den Weg, Uwe kam bereits am Freitag aus Neustrelitz in der Hauptstadt
bei unseren „Herbergseltern“, Kirsten und André, an.
Als wir in der Halle eintrafen, wurden wir freundlich von
einer Frau begrüßt, die sich bereits warm machte. Wie sich herausstellte war es
Norma Foster, 7.Dan JKF Wadokai, die sich eigens aus Kanada auf den Weg gemacht
hatte. Ein anderer prominenter Teilnehmer war Shuzo Imai, 8.Dan Wado Ryu.
Weitere Gäste kamen u.a. aus den Niederlanden und Finnland. Der Lehrgang stieß
also nach wie vor auf ein großes Interesse.
Das große Thema waren der Übergang von der (Partner)Kata zum
Freikampf und die verschiedenen Formen von Timing: Go no Sen, Sen no Sen und
Sen Sen no Sen.
Go No Sen ist das reaktive Handeln. Toby Threadgill
demonstrierte dies, indem der Partner versuchte, seine Hand zu fassen. Das
Fassen wird hierbei zugelassen bzw. sogar angeboten. Durch das Greifen gerät
der Angreifer u. a. dadurch in eine nachteilige Lage, dass das Ziel, die Hand,
mit entsprechendem Timing und entsprechender Geschwindigkeit wegbewegt wird und
er sich durch Überstrecken selbst aus dem Gleichgewicht bringt. Im gleichen
Augenblick erfolgt der Gegenschlag des Verteidigers.
Wichtig ist, dass der Verteidiger mental stets auf Angriff (Sente)
gepolt ist und keinesfalls in eine passiv-abwartende Rolle verfällt.
Hier sind sehr deutlich Parallelen zu den Kihon Kumite im
Wado Ryu zu erkennen.
Sen No Sen ist das gleichzeitige Handeln. Im Beispiel des
Greifens ist für den Verteidiger der Griff uninteressant, er agiert in den
Angriff mit einem Gegenangriff. Demonstriert wurde dieses Timing auch in der
Form, dass der Angreifer versucht, den Schwertgriff des Verteidigers zu fassen,
dieser aber entgegenkommt und der Angreifer den Griff so früher als erwartet zu
fassen bekommt.
Eine Technik des Wado Ryu, die auf dem Sen no Sen-Konzept
basiert, ist der Nagashi Zuki. Mit dem Angriff erfolgt der gleichzeitige
Gegenschlag.
In der SYR ist Sen no Sen ein nur sehr schwer umzusetzendes
Konzept, da ein bewusstes, gleichzeitiges Bewegen mit dem Angreifer tatsächlich
Go no Sen ist.
Sen Sen no Sen schließlich ist der Erstangriff des
Verteidigers. Er kommt also dem tatsächlichen Angriff des Gegners zuvor, indem
er den Angriffsgedanken des Angreifers antizipiert und sofort aktiv wird. Für
das Lesen der Absicht des Gegners und gleich recht noch der geplanten Art des
Angriffs ist intensives Üben erforderlich, um z. B. kleinste Muskelbewegungen
im Gesicht zu erfassen und zuordnen zu können. Wie auch den Könner auszeichnet,
dass er ohne jede Vorankündigung aktiv wird.
Die Ohyo Kumite des Wado Ryu sind genau auf diesem
Gedankengang aufgebaut.
Natürlich hatten wir ausreichend Gelegenheit zu üben und im
gleichen Umfang die Möglichkeit, die Komplexität der SYR-Übungen - gerade
hinsichtlich Timing - zu erahnen. Und selbstredend verbargen sich in sämtlichen
Übungen auch die altbekannten - und schwer umzusetzenden - Grundprinzipien
„Pull with the foot!“, „Relax!“, und „Structure!“. Kein Wunder, dass der
Hinweis kam, zunächst ganz langsam zu üben.
Kaki Kawano demonstrierte und vermittelte die verschiedenen
Formen von Timing an diversen Wettkampfübungen, die uns schon eher geläufig
waren.
André und Eric, die zusammen übten, zogen bereits sehr früh
die Aufmerksamkeit Kawanos auf sich, der zweifelsohne ihre Wettkampfqualitäten
erkannte. Eric wurde denn prompt als Partner zum Vorzeigen regelmäßig gesucht
und ziemlich häufig auch gefunden.
Interessant ist der Übergang von den Partnerkata hin zum
Freikampf in der SYR. Es wird sich dabei eng an den Partnerkata orientiert, die
zunehmend dynamischer, mit mehr Widerstand und technisch freier seitens des
Verteidigers durchgeführt werden. Verbotene Techniken gibt es nicht. Toby Threadgill
sagte bspw., dass sein Lehrer, Yukioshi Takamura, Kopfstöße liebte.
Der SYRJ-Freikampf ist daher mit dem Karate-Freikampf nicht
zu vergleichen, der Kampf muss schnellstens beendet sein. Dies erfordert auch
eine entsprechende geistige Einstellung.
Allerdings hat Hironori Otsuka den Freikampf aus seinem
Jujutsu (das es wiederum aus dem Schwertkampf übernommen hatte) in das Karate
eingebracht und die Grundlage für Wettkämpfe geschaffen. Offensichtlich sah er
einen Wert in sparringsmäßigen Freikämpfen.
Wieder einmal war es ein sehr lehrreicher und auch
beeindruckender Lehrgang. Seine Krönung fand er freilich in der mittlerweile
gesetzten HATO-Wadokai-Kooperation in Form der samstagabendlichen Essensrunde im
„Mr. Hai“, mit den obligatorischen „Mai Thai“.
Frank Kulus
[1]
Das SYRJ ist ein altes, japanisches Jujutsu der Samurai (Koryu Jujutsu), das
auch Hironori Otsuka vor Erlernen des Karate über etliche Jahre geübt, und in
dem er eine hohe Lehrlizenz erworben hatte. Damit besteht ein sehr starker
Einfluss seitens dieses Jujutsu auf das Wado Karate.
[2]
Das Menkyo Kaiden ist im SYRJ die höchste zu erwerbende Lizenz. Sie stellt hier
eine administrative Lizenz dar, welche oberhalb der Lehrlizenzen (Shoden,
Chuden, Joden) angesiedelt ist.
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Nach mehrfachen negativen Erfahrungen mit Veröffentlichungen auf YouTube verbietet der Ausrichter inzwischen das Fotografieren. Schade. Aber einige offizielle Bilder gibt es auf der Seite von Wado-Ryu Berlin.
Uwe
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